Pressemitteilung Juli 2016

Zwischen Uganda und der Oberstadt – Erfolgreiches Pilotprojekt zum Biologieunterricht auf Englisch nach drei Monaten beendet

 Kooperationsprojekt der AG Didaktik der Biologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und drei Biologielehrkräften des Gymnasiums Mainz-Oberstadt erprobte drei Monate lang, wie sich das Thema Immunbiologie und AIDS auf Englisch unterrichten lässt. AIDS-Expertin aus Uganda beantwortete Fragen der Schüler per Videoclips.

„Biologieunterricht auf Englisch? Und das soll funktionieren?“ Skeptische Fragen wie diese standen zunächst im Raum, als die Idee aufkam, für eine Unterrichtsreihe zum Thema Immunbiologie und AIDS einmal die normale Unterrichtssprache Deutsch mit Englisch zu tauschen. In der 9. Klasse, in der diese Themen auf dem Lehrplan stehen, verfügen die Schüler jedoch über genügend Sprech- und Schreibvermögen, um das zu bewältigen, waren sich Ute Berger, Maria Kopp und Lothar Himmels sicher – und ließen sich als Biologielehrkräfte des Gymnasiums Mainz-Oberstadt auf das Projekt „Let’s Talk Biology“ der AG Didaktik der Biologie der JGU ein, das von Nina Meyerhöffer im Rahmen ihres Promotionsvorhabens bearbeitet wird. „Englisch ist die universelle Sprache der Biowissenschaften, da macht es durchaus Sinn, einmal englischsprachige Texte zu lesen oder sich mit Experten über deren aktuelle Arbeit in deren Muttersprache auszutauschen“, erläutert Meyerhöffer die Grundidee des Projektes. Da Biologie, so Meyerhöffer weiter, bislang nicht zum festen Fächerkanon des bilingualen Unterrichts in Rheinland-Pfalz gehöre, bestehe die Herausforderung darin, geeignetes Arbeitsmaterial für den Einsatz im Klassenzimmer zu erstellen. „Es ist wichtig, die Schüler bei der Bearbeitung des englischen Materials mit entsprechenden Sprach- und Formulierungshilfen zu unterstützen“, fügt die Doktorandin der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie hinzu.

Nach drei Monaten bilingualem Biologieunterricht – bilingual, weil Schüler auch ins Deutsche wechseln können, wenn sie auf Englisch nicht weiterkommen – ist das Fazit der Projektbeteiligten sehr positiv.

„In English please“: Ute Berger hilft den Schülern beim Erstellen einer Mindmap zum Thema Infektionskrankheiten.   Mit einer gewissen Eingewöhnungsphase klappe die Verständigung auf Englisch schon ziemlich gut, beschreibt Ute Berger, die eine der drei beteiligten 9. Klassen auch als Englischlehrerin unterrichtet, ihre Erfahrungen. „Es hat zwar etwas gedauert, bis mich die Schüler nicht mehr als ihre Englischlehrerin wahrgenommen haben, aber da der Schwerpunkt im bilingualen Unterricht auf Kommunikation anstelle von

„In English please“: Ute Berger hilft den Schülern beim Erstellen einer Mindmap zum Thema Infektionskrankheiten.

Grammatik und Rechtschreibung liegt, haben sich immer mehr getraut, in Biologie frei zu sprechen“, so Berger weiter. Interessant sei es für sie zudem, dass einige Schüler im bilingualen Biologieunterricht mehr Englisch sprechen als im regulären Englischunterricht. Bergers Kollegen Lothar Himmels und Maria Kopp unterrichten als zweites Fach Chemie – sie sind aber nach längeren Aufenthalten in England bzw. den USA durchaus in der Lage, mit ihren Schülern auch auf Englisch zu kommunizieren. „Bei vielen Eltern rennen wir mit dem bilingualen naturwissenschaftlichen Unterricht offene Türen ein. Sie haben längst erkannt, dass der Erfolg europäischer und globaler Forschung internationale Kommunikationsfähigkeiten von allen Beteiligten erfordert und dass Schule aktuell in der Kreide steht, ihren Söhnen und Töchtern das hierfür nötige Rüstzeug auch praktisch, d.h. durch ein regelmäßiges Angebot von bilingualen naturwissenschaftlichen Lernsituationen zu verschaffen“, sagt Himmels. Kopp fügt hinzu: „Es ist mir ein sehr großes Anliegen, die Schüler gut auf die Zukunft vorzubereiten. Einige Schüler werden sicher später in einem internationalen Umfeld arbeiten oder studieren, sodass sie von den Erfahrungen aus einer bilingualen Unterrichtseinheit sehr gut profitieren können."

 

„Gerade die Tatsache, Konzepte des bilingualen Unterrichts an einer ‚normalen‘ Schule zu erproben, ist sehr reizvoll“, erläutert Prof. Dr. Daniel Dreesmann, Leiter der AG Didaktik der Biologie, die Idee zum Kooperationsprojekt. Denn es sei durchaus denkbar, so der Biologiedidaktiker weiter, Schüler durch den Wechsel ins Englische als Unterrichtssprache zusätzlich für das Fach Biologie zu begeistern. „Viele Fachbegriffe, die wir im Deutschen als ‚Fremdwörter‘ lernen müssen, sind für englische Muttersprachler ‚normale‘ Wörter. Auf diese Weise könnte es deutschen Schülern leichter fallen, Fachbegriffe zu lernen“, fügt Dreesmann hinzu.

Um den drei 9. Klassen zu verdeutlichen, wie nützlich es sein kann, Biologieunterricht auf Englisch durchzuführen, hat Nina Meyerhöffer Kontakt mit einer Mitarbeiterin von The AIDS Support Organization (TASO) in Uganda aufgenommen und sie für ihr Projekt begeistern können. Deutsche Schüler stellten der AIDS-Expertin, die in einem Krankenhaus für HIV-infizierte Kinder in Kampala, Uganda arbeitet, per kurzer Videoclips Fragen, die dann entsprechend als Kurzfilme beantwortet wurden. „Die Schüler können auf diese Weise direkt mit einer Person interagieren, die – anders als die Lehrer – überhaupt kein Deutsch versteht“, erläutert Meyerhöffer das Konzept für ihr Projekt, das sie als Stipendiatin des Gutenberg Nachwuchskollegs der JGU bearbeitet. Es komme hier vor allem auf die Bereitschaft an, sich zu trauen, etwas auf Englisch zu sagen.

Das von Nina Meyerhöffer entwickelte und mit fast 100 Schülern erstmals erprobte Unterrichtsmaterial zum Thema Immunbiologie und AIDS soll nach den Sommerferien auch an anderen Schulen getestet werden. Zudem werden weitere Unterrichtsthemen bearbeitet. Dass deutschlandweit Bedarf und Interesse besteht, zeigen Anfragen und Kooperationszusagen aus Darmstadt, Kassel und Aachen, da bilingualer Biologieunterricht offenbar im Trend liegt. Auch das Gymnasium Mainz-Oberstadt möchte die Zusammenarbeit mit der Universität fortsetzen. „Die Bedeutung der englischen Sprache als Kommunikationsmittel ist unbestritten. Gerade Programme wie z.B. Erasmus unterstützen die Studierenden bei ihren Vorhaben, ein oder mehrere Semester im Ausland zu verbringen. Auch dazu leisten solche Unterrichtseinheiten, die seitens der Universität didaktisch sehr gut aufbereitet sind, eine wertvolle Vorarbeit“, sagt Schulleiter Armin Drebes. Ob im nächsten Schuljahr neue Schüler oder gar dieselben Klassen wieder ein Thema auf Englisch bearbeiten werden, stehe aber noch nicht fest. „Wir werden die Schüler einfach fragen, ob sie das wollen“, erläutert Lothar Himmels. Und hofft, dass die Begeisterung des Lehrkräfte-Teams für „Let’s Talk Biology“ auf ihre Schüler übergesprungen ist.